Die Schweizer Banking-App Radicant hat kürzlich einen bedeutenden Strategiewechsel vollzogen. Ursprünglich als «grüne Anlagebank» positioniert, möchte Radicant nun zum Alltagsbankkonto für jedermann mutieren.
Dieser Kurswechsel wirft einige Fragen auf. Kann eine Marke, die so stark auf Nachhaltigkeit getrimmt war, einfach so umsatteln, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren?
Radicants Transparenzversprechen steht im Widerspruch zu mangelnder Offenlegung
Transparenz und Offenheit signalisieren, dass ein Unternehmen nichts zu verbergen hat und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Anders die Basellandschaftliche Kantonalbank. Das Mutterhaus aus Liestal nennt zu Radicant bevorzugt Zahlen, die gesetzlich vorgeschrieben sind.
Wenig verwunderlich, gibt es aus Medien und Politik kritische Stimmen zur Banking-App Radicant.
Schleppende Kundengewinnung, hohe Abschreiber
Die Abschreiber auf Radicant haben sich um weitere 9 Millionen Franken auf nun 31 Millionen Franken erhöht. Bislang dürfte die Basellandschaftliche Kantonalbank gut 100 Millionen Franken in Radicant investiert haben. Unter Berücksichtigung der laufenden Kosten und den minimalen Einnahmen, wird die finanzielle Verpflichtung weiter zunehmen und abermalige Abschreibungen dürften folgen.
Die Kosten für Marketing und Personal belasten die Bank enorm. Dennoch gewinnt Radicant nur schleppend Kunden.
Mit den Halbjahreszahlen per 30. Juni 2024 nennt die Basellandschaftliche Kantonalbank zu Radicant zunächst zwei weitere Zahlen: 6’500 Kunden mit «anvertrauten Kundengelder» von 80 Millionen Franken.
Doch wie beanspruchen die 6’500 Kunden die Leistungen von Radicant: gebührenpflichtige Fonds-Anlagen oder wird vorwiegend das Zinskonto beansprucht? Unklar.
Der Vorteil aus dem Zinsprodukt fällt weg
Das Zinsangebot von Radicant ist ein gelungenes Marketingprodukt, schnell Kunden zu gewinnen. Doch bleibt die Treue, wenn der Zinsbonus wegfällt?
Die SNB hat in kurzer Zeit den Leitzins zwei Mal gesenkt, unisono Radicant, von 1,5% auf 1%. Reduziert die SNB den Leitzins weiter, fällt für Radicant der psychologische wichtige Kunden-Trigger von 1 Prozent.
Verdient Radicant mit der App auch Geld?
Der Verdienst aus dem Zinsgeschäft dürfte für Radicant unerheblich sein. Ertragsstarke Kundenbindung gelingt über mittel- und langfristigen Anlagen. Doch darüber lässt Radicant die Öffentlichkeit im Unwissen.
Ein Blick in die Halbjahreszahlen der Basellandschaftlichen Kantonalbank per 30. Juni 2024 lässt die Erfolglosigkeit der Bemühungen erahnen.
Stamm1 | Konzern2 | |
---|---|---|
Verpflichtungen aus Kundeneinlagen (in Mrd.) | 20,321 | 20,389 |
Kommissionsertrag Wertschriften- und Anlagegeschäft (in Mio.) | 33,329 | 33,354 |
Erfolg aus dem Handelsgeschäft (in Mio.) | 12,848 | 12,948 |
Aus der Gegenüberstellung beziehungsweise Verrechnung Stamm/Konzern lassen sich zu Radicant folgende Zahlen auslesen:
- 68,6 Mio. Franken Kundengelder auf Konten.
- 25’000 Franken Kommissionserlös aus Wertschriften und Anlagegeschäft (u.a. Kauf und Verkauf von Aktien und Fonds).
- 100’000 Franken Fremdwährungserträge (u.a. ausländische Aktienkäufe und -verkäufe und (Karten-)Zahlungen in Fremdwährungen).
Das genannte Radicant-Kundenvolumen von 80 Millionen Franken abzüglich die 68,6 Milllionen Kundeneinlagen ergibt ein Anlagevolumen um die 11 Millionen Franken3.
1 Nur Stammhaus Basellandschaftliche Kantonalbank
2 Die Konzernrechnung umfasst das Stammhaus BLKB, Radicant (Bank und Hub) sowie der BLKB Fund Management.
3 Aktuelle Zahlen zu den Fondsgrössen sind auf der Website des Liechtensteinischen Anlagefondsverbands einsehbar.
Die Marke Radicant ist stark mit Nachhaltigkeit assoziiert
Radicant hat viel Geld in die Vermarktung seiner grünen Werte investiert. Die App, die Website, die gesamte Kommunikation.
Der plötzliche Wechsel zu einer Alltagsbank kann von Bestandeskunden als inkonsequent wahrgenommen werden: Abgang von Kunden, die sich bewusst für Radicant entschieden haben.
Die teuer aufgebaute Markenidentität wird zulasten einer breiten Marktansprache aufgegeben.
Für was genau steht Radicant jetzt nun? Für das dringend benötigte Wachstum im Segement Alltagsbanking ein klares Handicap; Radicant wird in der Breite mit Nachhaltigkeit und Anlage assoziiert.
Zukunft Radicant? Szenarien
Der Markt für Smartphone-Banking ist hart umkämpft. Etablierte Player wie Neon, Yuh und Revolut haben eine breite Palette an kostengünstigen Leistungen, sind mit einem treuen Kundenkreis gefestigt und haben eine gefüllte Produktpipeline. Auch Kantonalbanken bieten zunehmend Billigkonten.
Radicant muss sich in diesem Umfeld erstmal einen Platz erarbeiten und später auch behaupten – derweil Neon und Yuh weiterziehen.
Die neue 3a-Konto-Lösung von Radicant zu 1,25% (SNB-Satz) ist aggressiv und sieht dennoch etwas hilflos aus. Bei der Anlagelösung sind sie noch daran. Doch wie geht Radicant an den Markt? Mit Viac, frankly und Yuh sowie weiteren digitalen 3a-Apps ist der Wettbewerb nochmals deutlich härter.
Die Kosten beziehungsweise Aufwendungen von Radicant werden auf jährlich 25 Millionen Franken geschätzt. Demgegenüber stehen zurzeit Erträge von 250’000 Franken.
Die ESG-Research-Abteilung von Radicant scheint kompetent zu wirken. Warum nicht von der Bank abtrennen und als «ESG as a Service» zu positionieren beziehungsweise zu verselbständigen? Und die eigentliche Bank also Hülle verkaufen oder ganz abschreiben.
Ende für Radicant? Abwägend ist der Gedanke nicht. Die von Swiss Life Anfang 2022 lancierte 3a-App Pando setzte wie Radicant auf die Nachhaltigkeitsziele der Uno. Nun ist Schluss.
Swiss Life Pando: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Auch für Radicant?
Weiterführende Informationen
- Zum Start von Radicant – eine Ersteinschätzung von digitalmedia.ch (September 2023)
- Aus für die Banking App CSX der Credit Suisse
- Schweizer Smartphone-Banken im Vergleich – exklusiv auf digitalmedia.ch
Einfachheit und Erlebnis in Technik, Bedienung und Preis – so geht Digitalbanking. Eine seit 2017 von digitalmedia.ch ausgesprochene Botschaft.
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