Mit Radicant der Basellandschaftlichen Kantonalbank gelangt eine weitere Banking-App mit reinem Mobile-only Angebot auf den Schweizer Markt. Das auf Nachhaltigkeit fokussierte Online-Angebot von Radicant umfasst ein Bankkonto mit dazugehörender Visa-Karte und Anlagen mit Investitionen ab 1000 Franken.
Bis zum Martkeintritt hat Radicant im Vorfeld wiederholt zu kritischen Medienberichten geführt. Wenig verwunderlich sind aktuell u.a. die Google-Suchergebnisse („radicant“, Zugriff 22.08.2023) wie: «Ist Radicant am Start oder bald am Ende» oder «John Häfelfinger Hochzeit». Tempi passati. Digitalmedia.ch hat sich die App, das Angebot und die Preise näher angeschaut.
Das Banking-Konto der Radicant App
Im Leistungsumfang steckt ein leicht konserviertes Banking-Handwerk mit fassbaren Angeboten – in Preis und Funktion.
Das Online Onboarding ist einfach gehalten. Die Indentifizierung und Signierung (Vertragsabschluss) erfolgt rein digital. Voraussetzung ist Mindestalter 18 Jahre und Inhaber einer ID oder Reisepass aus der Schweiz oder EU/EAA-Länder. Zur definitiven Kontofreischaltung braucht es ab einem bestehenden Schweizer-Konto (auch EU/EAA) eine Überweisung auf das neue Konto von Radicant.
Basiskonto in Schweizer Franken
Für ein Alltagsbanking ist der Leistungsumfang von Radicant (noch) nicht ausreichend. Es fehlen beispielsweise internationale Überweisungen wie SEPA-Zahlungen (Euro in SEPA-Teilnehmerländer). Auch Daueraufträge und eBill sind zurzeit nicht möglich.
Eine Importfunktion für das Einlesen von QR-Rechnungen fehlt. Wer eine PDF-Rechnung in der App bezahlen will, braucht einen Drucker oder einen weiteren Bildschirm.
QR-Rechnung im PDF-Format auf dem Smartphone bezahlen – so gehts
Bis zu einem Kontosaldo von 100’000 Franken bezahlt Radicant einen Zins:
- bis CHF 25’000: 1,0%
- ab CHF 25’000 bis 100’000: 0,5%
Die virtuelle Radicant Visa Debitkarte
Wie die Zuger Kantonalbank, jetzt auch bei Radicant: Die physische Plasikkarte wird nur optional und zu einem Aufpreis von 10 Franken ausgeliefert.
Standard hingegen ist die im Konto hinterlegte virtuelle Radicant Visa Debitkarte. Der Funktionsumfang der Kartenverwaltung ist üppig ausgestattet: Karte sperren/entsperren, PIN-Code ändern, Kartenlimiten anpassen (Aufzählung nicht abschliessend).
Kartenzahlungen in Fremdwährungen sind kostenpflichtig
Im Argen liegen die Gebühren für den Karteneinsatz im Ausland beziehungsweise Transaktionen in Fremdwährungen.
Radicant hält an kundennachteiligen Auslandgebühren fest, zu erkennen an:
- 0,8% Transaktionszuschlag
- Visa Wechselkursaufschlag1
1 Wie hoch ist der Zuschlag? Das ist leider nicht einsehbar
Für Zahlungen in Fremdwährungen wird der Karteninhaber korpulent zur Kasse gebeten.
Mobile Payment
Einfaches und bargeldloses Bezahlen mit dem Smartphone geht auch bei Radicant. Im Basisangebot enthalten sind anerkannte Digital-Werkzeuge wie:
- Radicant Twint App für iOS und Android
- Mobiles Bezahlen mit den Apps von Apple Pay und Google Pay
CO2-Fussabdruck der Transaktion
Als Besonderheit hervorheben möchte Radicant den CO2-Fussabdruck, der bei Zahlungen in der App eingesehen werden kann. Wobei nicht klar ist, ob die CO2-Bilanz alle Zahlungen betrifft, also Konto- und Kartenzahlungen.
Gebühren und Kosten der Banking App Radicant
Das Konto inklusive Visa wird auf der Website als «kostenlos» umworben. Im Preisblatt hingegen steht: «Early-Bird-Angebot 0.- monatliche Grundgebühr». Ist die gebührenfreie Kontoführung zeitlich befristet?
Digitale Vermögensverwaltung
Im Fokus von Radicant dürfte das digitale Anlagegeschäft stehen. Im Angebot stehen Geldanlagen in nachhaltigen Themen.
- 100 Prozent Schwerpunkt Nachhaltigkeit mit grünen ESG-Fonds (Ausschluss-Verfahren).
- Core-Satellite-Ansatz für individuelle, bevorzugte Nachhaltigkeits-Themen des Anlegers, sogenannte Impact-Fonds.
Die Anlagestrategien mit diversifizierten Anlageinstrumenten wird von einem Investment-Team zusammengestellt und bewirtschaftet.
Core-Satellite-Strategie
Breit diversifiziert und individuelle Akzente setzen. Hierbei bedient sich Radicant am Core-Satellite-Ansatz.
- Der Core (Kern) ist hoch gewichtet und am breiten Markt in Aktien und Anleihen angelegt.
- Am Core werden zusätzliche Investitionen angehängt, sogenannte Satelliten.
Das Portfolio kann aus 3 Investmentfonds (Core) und 8 SDG-orientierten Tracker- Zertifikaten (Satellite) zusammengestellt werden.
Core-Anteil
Eine breite Risiko- und Chancenstreuung wird mit dem Core-Teil abgedeckt und ist Kern der Investition mit einem Anteil von 70 bis 95 Prozent 2.
Mit dem Core wird eine Stabilität angestrebt und soll Kurs- und Ertragsgewinne festigen (Grundsicherung, langfristige Anlage).
Die Radicant-Anlage wird in der Core-Basis mit globalen Aktien und Anleihen bereitgestellt. Darüber hinaus kann der Kunde bestimmen, statt global mit Fokus Schweiz.
Die Anlageinstrumente im Core sind bei Radicant aktive Fonds in Aktien und verzinslichen Anleihen.
Die Satelliten
Satelliten sind Ergänzung zum Kernportfolio und sind der wesentlich kleinere Teil der Anlage (5 bis 30 Prozent2).
2 vergleichsweise Werte einer Core-Satellite-Strategie, Abweichung ggü Radicant möglich.
Mit den Zusatzinvestitionen werden grössere Kursgewinne angestrebt. Das heisst, das Risiko renditestarker Anlagen tragen die Satelliten.
Satellitenanlagen sind tendenziell thematische Investitionskörbe. Beispielsweise in:
- Nischenmärkte
- Geografische Regionen
- E-Mobility, künstliche Intelligenz etc.
Für das Satelliten-Portfolio stehen bei Radicant acht Nachhaltigkeitsthemen zur Auswahl, genannt «radiThemes»:
- Klimastabilität
- Gesunde Ökonomie
- Grundbedürfnisse
- Geschlechtergleichheit
- Gesundheit und Wohlergehen
- Gesellschaftlicher Fortschritt
- Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen
- Hochwertige Bildung
Um einen Fokus auf bestimmte UN-Impact-Ziele zu setzen, kann der Kunde ergänzend bis zu 2 Satelliten wählen.
Die Satelliten werden mit Tracker-Zertifikaten der Zürcher Kantonalbank umgesetzt.
Die persönliche Anlagestrategie
Zu Beginn sind die Impact-Themen zu wählen. Für den Core-Aufbau wird weiter nach der persönlichen Präferenz gefragt: Global oder Schweiz.
Zur Ermittlung der persönlichen Aktienquote werden Angaben zur Person benötigt. Anhand der Wahl (Core und Impact-Ziele) und den Antworten, wird aus fünf Anlagezielen die persönliche Strategie bereitgestellt.
Bild: Die 5 Anlagestrategien von Radicant
Kosten und Gebühren
Die jährliche Gebühr für die Vermögensverwaltung bewegt sich je nach Anlagevolumen in einer Bandbreite von 0,50 und 0,90 Prozent3.
Zusätzlich fallen Fondskosten (TER) an: 0,40 bis 0,47 Prozent (je nach Anlagestrategie).
Insgesamt gibt es die Vermögensverwaltung ab 1,3% beziehungsweise 0,90% mit Einführungsrabatt. Eine Anlage mit einem Volumen von 70’000 Franken kostet im Minimum 1,2 Prozent jährlich.
3 Bis zum 31. Januar 2024 gibt es 50% Rabatt auf die Vermögensverwaltungsgebühr.
Markt-Mitbewerber
Der Anlage-Nachhaltigkeitsansatz mit den UN-Impact-Zielen ist kein Novum. Auf dem Schweizer Banken-App-Markt gibt es zwei Bestandesangebot mit Fokus Impact-Investing.
Nachhaltiges Anlegen mit WiLLBe
Bei WiLLBe handelt es sich um eine Investment App der Liechtensteinischen Landesbank. Wie bei Radicant sind die Anlagen ESG-konform und auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN ausgerichtet.
Ebenso stehen Impact-/Nachhaltigkeits-Themen zur Auswahl, die auf den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN basieren.
Die Anlagestrategien werden bei WiLLBe von einem Investment-Team der Liechtensteinischen Landesbank zusammengestellt und bewirtschaftet.
Die Mindestinvestition beträgt lediglich 200 Franken, ggü. Radicant mit 1’000 Franken.
Eine Anlage mit 10’000 Franken und Strategie «Ausgewogen» kostet um die 0,8 Prozent (Radicant mit ≈ 1,3%).
Nachhaltig Sparen 3 mit Pando von Swiss Life
Vergleichbar auch das Angebot von Swiss Life. Wobei es sich hier um eine grüne Säule 3a-Anlagelösung handelt. Identisch sind:
- Fokussierung auf Nachhaltigkeit
- Impact-Fonds (Nachhaltigkeitsziele SDG der UN)
- Core-Satellite-Strategie
Zur Vorsorge App 3a Pando von Swiss Life gibt es auf digitalmedia.ch eine ausführliche Produktbeschreibung.
Fazit und Meinung
Die Anlage- und Banking-App von Radicant ist nun auf dem Markt. Vieles wurde im Vorfeld darüber geschrieben; zuletzt mit Spekulationen, ob sich die Basellandschaftliche Kantonalbank von Radicant trennt mit Verkauf an die Swiss Life.
Die (eigenen) Ansprüche sind hoch: «Nachhaltiges Bankangebot». Ist die potentielle Kundschaft auch bereit, den geforderten Mehrpreis für nachhaltiges Banking zu zahlen? Denn – die 3a-App von Swiss Life als auch die Anlage-App Volt (Bank Vontobel) haben in den Jahren seit Bestehen ein «überschaubares» Wachstum erzielt. Und gegen aussen sind bei den Apps kaum noch Entwicklungsfortschritte und Marketingkampagenen sichtbar.
Das Konto mit Visa ist zwar gratis. Die Anlagegebühren hingegen sind für ein Mobile-only Angebot eher im oberen Preisband angesiedelt. Das lässt vermuten, die App ist für den digital-affine Vermögens- und Einkommens-Mittelstand positioniert.
Es gibt vergleichbare digitale Angebote, beispielsweise Descartes mit persönlicher Beratung. Selbst traditionelle Vermögensverwaltungmandate mit ESG-Ansprüchen liegen auf Preisniveau von Radicant.
Der Martkeintritt von Radicant fordert die Banken weiter, die Transformation aktiv anzugehen. Denn die zurzeit explodierenden Zinsgewinne der Retaibanken können auch gegenteilig wirken: Trägheit zu Veränderung.
Die Basis ist gelegt. Zündet die Begeistung auch beim Kunden (wie heute anlässlich der Präsentation), dürfte die nachhaltige Banking-App eine gute Perspektive haben. Wie es langfristig weitergeht? Das dürfte auch im entfernten Baselland politisch zu Reden geben.
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