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Vorsorgeauftrag Banken: wer heute entscheidet, denkt an morgen

Das Handy wird zur Bankfiliale. Viele Bankkonten werden online geführt (Filialbanken) oder teilweise ganz mit dem Smartphone bewirtschaftet (Neo-Banken). Doch was ist, wenn etwas passiert und die Urteilsunfähigkeit eintritt?

Eine Mobilebanking-App hier, eine Banking-App da. Der Trend geht zur Zweitbank, zum Drittkonto und zum anlagespezfischen (Viert-)Depot. Die Bankkorrespondenz geschieht digital – und mit einem Passwort gesichert.

Tritt ein Ernstfall ein, wer hat den (Vermögens-)Überblick? Und wie ist es mit dem Zugriff auf Konti und Depots?

Inhalt

Der Vorsorgeauftrag – etwas Theorie

Seit Inkrafttreten des neuen Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 gibt es die Möglichkeit des Vorsorgeauftrags.

Mittels eines Vorsorgeauftrages kann eine handlungsfähige Person für den Fall ihrer dauernden Urteilsunfähigkeit eine andere Person beauftragen, die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im
Rechtsverkehr zu vertreten.

Was geschieht bei einem nicht vorhandenen Vorsorgeauftrag?

Ehegatten sowie Personen in eingetragener Partnerschaft haben für alltägliche Handlungen ein gesetzlich geregeltes Vertretungsrecht. Für aussergewöhnliche Rechtshandlungen muss bei der KESB eine Bewilligung eingeholt werden.

Bei alleinstehenden Personen ohne Vorsorgeauftrag übernimmt die KESB.

Die Wirksameit eines Vorsorgeauftrags

Der Vorsorgeauftrag entfaltet seine Wirkung erst, wenn bei der auftraggebenden Person die Urteilsunfähigkeit eintritt. Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, verliert der Vorsorgeauftrag von Gesetzes wegen seine Wirksamkeit.

Erlangt die Erwachsenenschutzbehörde KESB durch Meldung Kenntnis (Privatperson, Behörde), wird abgeklärt, ob ein Vorsorgeauftrag vorliegt und prüft unter anderem die Gültigkeit (Eintretensfall).

Im zweiten Schritt wird geprüft, ob die beauftragte Person als geeignet erscheint und auch bereit ist, den Auftrag anzunehmen. Sind die Voraussetzungen erfüllt (Ausschluss Missbrauch), wird der Vorsorgeauftrag für wirksam erklärt.

Wird zum Beispiel die Vermögenssorge übertragen, so ist nun der Beauftragte befugt, sämtliche Rechtsgeschäfte im Namen des Auftraggebers zu tätigen.

Grundsätzlich werden die Handlungen der beauftragten Person nicht durch die KESB überwacht.

Wie wird ein Vorsorgeauftrag errichtet?

Der Vorsorgeauftrag muss bei voller Handlungsfähigkeit entweder handschriftlich niedergeschrieben oder öffentlich beurkundet werden.

Wo kann ein Vorsorgeauftrag aufbewahrt werden?

Die Ablage beziehungsweise Aufbewahrung des Vorsorgeauftrags steht der Person grundsätzlich frei.

Damit jedoch sichergestellt ist, dass das Vorliegen eines Vorsorgeauftrages auch bekannt wird, gibt es zwei mögliche (formelle) Hinterlegungorte:

  • Möglichkeit der Hinterlegung bei der KESB
  • Registrierung des Hinterlegungsortes beim Zivilstandsamt

Der Vorsorgeauftrag – kompakt zusammengefasst von der KESB des Kantons Zürich.

Anwendung in der Bankpraxis – und doch Theorie

Ehegatten sowie Personen in eingetragener Partnerschaft haben für alltägliche Handlungen ein gesetzlich geregeltes Vertretungsrecht – und sind somit im Eintretensfall gegenüber Alleinstehenden formell «bessergestellt».

Die Single-Gesellschaft

Wie stellen Single und Alleinstehende hingegen sicher, dass Vertraute Kenntnis von und Zugriff auf Konten und Depots haben für den Fall, dass ihnen etwas zustösst?

Es gibt (vermeintlich) zweierlei Lösungsansätze – kann auch für Ehegatten und Personen in eingetragenen Partnerschaften angewendet werden:

1.) Kontovollmacht – jedoch mit Einschränkungen

Filialbanken kennen die Möglichkeit einer Vergabe von Kontovollmachten – mit Gültigkeit auch nach Urteilsunfähigkeit des Vollmachtgebers.

Doch Vorsicht: Vollmachten werden von Banken oft eingeschränkt oder gar gänzlich eingestellt, ähnlich wie bei einem Todesfall. Tendenziell werden alltägliche Transaktionen dennoch ausgeführt, die im Interesse des Vollmachtgebers sind – wie beispielsweise Miet- und Leasingzahlungen.

Wer auf Nummer sicher gehen will, erteilt einen Vorsorgeauftrag.

Eine Vollmacht gilt grundsätzlich bereits ab ihrer Erteilung. Das heisst, der Beauftragte (Vollmachtnehmer) hat bereits vor einem allfälligen Eintritt der Urteilsunfähigkeit weitreichende Befugnisse über das Vermögen des Vollmachtgebers.

2.) Vorsorgeauftrag – ohne Validierungsbeschluss läuft jedoch nichts

Zweifelsohne hat ein Vorsorgeauftrag für eine handlungsfähige Person eine im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit die stärkste Wirkung.

Gleichwohl hat der Vorsorgeauftrag eine fast unscheinbare Tücke – die Validierung durch die KESB:

Wird ein Kunde nachweislich urteilsunfähig, anerkennen Banken den Vorsorgeauftrag erst nach Prüfung durch die KESB (Validierungsbeschluss).

Bis die Einverständniserklärung vorliegt, kann es bis mehreren Wochen oder Monaten dauern.

Die Wartefrist kann jedoch für alltägliche Zahlungen ohne weiteres mit einer gewöhnlichen Kontovollmacht überbrückt werden – mit seinen Vor- und Nachteilen.

3.) Möglicher Fallstrick: «die Akzeptanz durch die Banken»

Wird ein Vorsorgeauftrag durch die KESB für wirksam erklärt, vermag sich die vorsorgebeauftragte Person gegenüber Dritten auszuweisen. Banken tun sich dennoch schwer damit.

Tücken Vorsorgeauftrag Banken Schweiz
Quelle: nzz.ch

Ist die Rechtshandlung durch den Auftragnehmer gemäss Vorsorgeauftrag gedeckt und kein Interessenkonflikt vorliegt, muss nicht zusätzlich das Einverständnis der KESB eingeholt werden. Das heisst, die Geschäftspartner (Banken) sind verpflichtet, die vorsorgebeauftragte Person als Vertreter anzuerkennen.

Dessen ungeachtet können Vorsorgeaufträge im Eintretensfall bei Banken zu Kopfschmerzen führen. Wiederholt werden Aufträge von Personen erst nach zusätzlicher Einholung des Einverständnis der KESB ausgeführt. Im Einzelfall können Regelungen ausserordentlich kompliziert werden.

Wie die Banken es handhaben

Doch wie ist es nun in der Praxis, wie handhaben es die Banken? digitalmedia.ch kontaktiere zu diesem Thema ein paar Banken.

Die Banking App Yuh von Swissquote und Postfinance

Yuh empfiehlt auch für Verheiratete und eingetragene Partnerschaften einen Vorsorgeauftrag:

«Weil ein solcher die Vertretungsbefugnisse klar und rechtssicher regelt. Das ordentliche Vertretungsrecht ohne Vorsorgeauftrag wird in der Regel nicht anerkannt.»

Im Eintretensfall muss sich der Beauftragte beim Yuh Support melden: 044 825 87 89 oder über Kontaktformular.

Die Banking App Neon teilt mit

«Neon steht für einfaches, mobiles Banking – alle unsere Prozesse sind möglichst digital und App-basiert aufgesetzt. So bieten wir keinen Zugriff via webbasiertem E-Banking oder Mehrkunden-Zugänge zum Konto an.

Konstellationen mit Handlungsunfähigkeit können wir daher derzeit noch nicht in unseren Systemen und Prozessen abbilden, weshalb wir solche Kundenbeziehungen in Absprache mit unserer Partnerbank – der Hypothekarbank Lenzburg – und der/dem Betroffenen innert einer angemessener Frist beenden müssen.

Die Weiterführung der Kundenbeziehung direkt bei der Hypothekarbank Lenzburg steht aber zumeist als Option offen.»

Die Vorsorge App von Viac erklärt

Bei Viac unter anderem besonders von Interesse ist das gesetzliche Vertretungsrecht, da es sich um Vermögenswerte der dritten Säule handelt:

Das Vertretungsrecht umfasst die ordentliche Verwaltung des gesamten Vermögens (Art. 374 Abs. 2 Ziff. 2) und damit grundsätzlich auch von Vermögenswerten der dritten Säule. Ob es sich um eine ordentliche oder eine ausserordentliche Vermögensverwaltung handelt, muss von der Stiftung bei jeder Handlung einzeln geprüft werden.

Zum Vorsorgeauftrag teilt Viac mit:

Liegt ein Vorsorgeauftrag vor, so benötigt die Bank bzw. die Stiftung die von der ESB erstellte Feststellungsverfügung (auch Ernennungs- oder Legitimationsurkunde genannt; Art. 363 Abs. 3 ZGB). Sofern die ESB nicht bereits vom Vorliegen eines Vorsorgeauftrages Kenntnis hat, sollten die beteiligten Personen der ESB den Vorsorgeauftrag zukommen lassen. Die ESB überprüft sodann, ob der Vorsorgeauftrag gültig ist und ob die beauftragte Person den Auftrag annimmt, und stellt den beteiligten Personen anschliessend die Verfügung zu.

Diese Ernennungsurkunde ist zusammen mit einer Identitätskarte der beauftragten Person der Bank bzw. der Stiftung zu übermitteln.

Die St. Galler Kantonalbank antwortet

Als Vertreterin einer Filialbank sollte das organisatorische Handling einfacher geschehen (physische Nähe).

Eingabe der Legitimationsurkunde, welche durch die KESB ausgestellt worden ist und aus der die Befugnisse hervorgehen. Diese wird seitens der Bank geprüft wie bezüglich Umfang der Befugnisse des Vorsorgebeauftragten.

Auf die Frage: «Wird ein wirksamer Vorsorgeauftrag (Validierungsentscheid) durch die SGKB anerkannt oder sind weitere Prüfungen vorgesehen?» – antwortet die St. Galler Kantonalbank:

«Ein wirksamer Vorsorgeauftrag wird durch die SGKB grundsätzlich anerkannt, wobei sich die Befugnisse des Vorsorgebeauftragten aus der Legitimationsurkunde ergeben. Bestehen Anzeichen für das Vorliegen eines Interessenkonfliktes (beispielsweise bei einer Transaktion), behält sich die Bank vor, vom Vorsorgebeauftragten eine klarstellende Verfügung der KESB einzuverlangen (vgl. Art. 365 Abs. 3 ZGB).»

Tipps: Anwendung für den Bankkunden

Ob verheiratet, eingetragene Partnerschaft oder alleinstehend: es ist ratsam, dass Angehörige beziehungsweise enge Vertraute Bescheid wissen, wo überall Geld liegt.

Inventar/Kenntnis

Ohne Kenntnis ist es für eine beauftragte Person anspruchsvoll, Interessen gegenüber Dritten wahrzunehmen. Auch deshalb, da Banken nicht immer von sich aus tätig wird.

Eine Liste gibt hier Klarheit: Bank, Benutzername und Login. Besser als Papier ist digital. Nämlich ein Passwortmanager. Vorausgesetzt, der Auftragnehmer hat Zugriff auf den Passwortmanager.

Passwort-Manager: SecureSafe

Das Schweizer Produkt securesafe.com bietet hierfür die Möglichkeit, vorsorglich einen Begünstigten zu bestimmen. Das heisst, bei einem Eintretensfall kann die beauftragte Person zugewiesene Codes herunterladen.

Auch der Zugriff zu Unterlagen lassen sich so regeln, beispielsweise zu Bank- und Versicherungsgeschäften.

Diese Funktion stellt sicher, dass Angehörige und enge Vertraute im Ernstfall (Todesfall oder bei Verlust der Handlungsfähigkeit) Zugriff auf wichtige Informationen wie Dokumente und Passwörter haben.

Zugriff auf Bankkonti

Wer kennt es nicht auch: teilweise werden Logins an Personen weitergegeben, auch Zugangsdaten zum E-Banking.

Und wer sich gegenüber der Bank mit den gültigen Legitimationsmittel gemäss AGB legitimiert hat, gilt der Bank gegenüber als Berechtigter und erhält Zugang zu E-­Banking­ Dienstleistungen.

Ein Blick in die AGB der jeweiligen Bank ist ratsam. Da kann unter anderem stehen wie:

  • «Le­gitimationsmittel dürfen Dritten nicht ausgehän­digt oder sonst wie zugänglich ge­macht werden».
  • «Der Kunde trägt sämtliche Folgen, die sich aus der missbräuchlichen Verwendung seiner oder der Legiti­mationsmittel ergeben».

Hat eine willentliche Weitergabe von Zugangsdaten eine missbräuchliche Verwendung zur Folge?

Fazit

Bei einem Vorsorgeauftrag denken viele an betagte Menschen. Ein Trugschluss. Wer kümmert sich bei Alleinstehenden infolge einer Handlungsunfähigkeit um die Bank- und Finanzangelegenheiten – beispielsweise ausgelöst durch eine Unfall?

Mit einem Vorsorgeauftrag kann jede urteilsfähige Person sicherstellen, dass die beauftragte Personen die notwendigen Angelegenheiten erledigt, sollte sie urteilsunfähig werden.

Ein wirksamer Vorsorgeauftrag liegt vor; Banken hingegen tun sich schwer damit und argumentieren mit dem Schutz der Interessenswahrnehmung zugunsten des Kontoinhabers. Doch wessen Interessen werden vertreten, Eigenschutz der Banken zulasten des Vorsorgewillens der nun handlungsunfähigen Person?

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